Die Urbane Landwirtschaft ist eine spezielle Form der Landwirtschaft. Sie existiert bereits seit Jahrzehnten. Betrieben wurde sie schon vor und während der Industrialisierung in den Städten und Agglomerationsräumen Europas sowie weiteren Industrienationen. Schaut man sich die Schwellen- und Entwicklungsländer an, so bestehen diese zumeist noch weitgehend in ihrer ursprünglichen Form. Die Nutzung von Land durch Gruppen oder Einzelpersonen in Ballungsräumen wie Berlin und Umgebung zum Anbau von Lebensmitteln nennt man Urbane Landwirtschaft. In der Regel ist diese Art der Landwirtschaft eher kleinteilig und wird betrieben von privaten Zusammenschlüssen oder einzelnen Haushalten.
Kleingärten, Gemeinschaftsgärten und Urbane Felder
Ganz bewusst werden sogenannte urbane Räume gesucht für die landwirtschaftlichen Flächen, zumeist Gärten. Die Nutzung dieser Räume ist eng verbunden mit den ökologischen, wirtschaftlichen Gegebenheiten und dem Sozialleben der Stadt. Zumeist erfolgt der Anbau zum Eigenbedarf. Neben Grabeland und Kleingärten umfasst die Urbane Landwirtschaft ganz besonders unterschiedliche Formen der Gemeinschaftsgärten. Bei der einfachsten Form der Urbanen Landwirtschaft spricht man von der Haltung einzelner Tiere und dem Anbau von Obst und Gemüse zur Selbstversorgung.
In der Planung der stadtnahen Landwirtschaft in den 80er und 90er Jahren veränderte sich der Gedanke mehr und mehr. In der Agenda 21 werden die bisher existierenden Konfliktpunkte zwischen den Ansprüchen der Allgemeinheit und der privaten Nutzung nun als Perspektive für eine Nachhaltigkeit von Städten angesehen. Das Leitbild der kompakten Stadt wird relativiert durch eine Einbindung einer flächenstarken Landwirtschaft ins Stadtgebiet. Jedoch ist die Landwirtschaft weniger Konkurrenz zur Stadt mit neuen Erscheinungen wie Shopping-Meilen und Gewerbeflächen.
Das Bewusstsein für Nahrung ging verloren
In den letzten Jahren hat die Urbane Landwirtschaft in Deutschland an Wichtigkeit zugenommen. Ungewöhnliche Nutzgärten entstanden an außergewöhnlichen Orten mit außergewöhnlichen Gärtnern. Ihr Charakter entsprach nicht dem eines klassischen Kleingärtners, wie man ihn sich vorstellt. Denn er war jung, politikaffin und kreativ. Durch diese Gärtner wurde mit Hilfe der Urbanen Landwirtschaft das Bewusstsein für die Lebensmittelerzeugung zurück in die Stadt gebracht. Dies ging nämlich irgendwann im Laufe der Industrialisierung verloren. Die Tierhaltung und der Anbau von Lebensmitteln gehörten in der vorindustriellen Zeit zum alltäglichen Bild der Stadt. Weil Transport- und Konservierungsmöglichkeiten so schwierig waren, mussten die Lebensmittel immer dort erzeugt werden, wo man sie auch aß. Die Bauern konnten sich in dieser Zeit kaum selbst ernähren und die Landwirtschaft war äußerst unproduktiv.
Heute gibt es dabei eine Grundsatzänderung. Lebensmittel werden von überall her importiert. In der heutigen Zeit scheinen Landwirtschaft und Stadt wenige Berührungspunkte zu haben. Die Landwirte sind jedoch nie aus den Städten verschwunden. Besonders in Deutschland hat die klassische Landwirtschaft einen bemerkenswert hohen Anteil an der Gesamtfläche. Beispielsweise das Ruhrgebiet verfügt über 40%. Die Struktur der Gebiete, welche ein Wachstum verzeichnen durch Industriebetriebe, hat jedoch eine zerklüftete Struktur. Dabei ist trotz alledem viel Platz geblieben für die Landwirtschaft. Diese klassische Form von Landwirtschaft ist trotz der örtlichen Nähe nur wenig mit der Stadt verknüpft. Die sogenannten Städter haben eine Ignoranz dem gegenüber entwickelt. Sie verstehen fälschlicherweise die Flächen als Vorrat zur städtischen Entwicklung und Maßnahmen zum Ausgleich. Die Urbane Landwirtschaft in den Randgebieten der Stadt produziert und verkauft nicht mehr für die eigene Stadt, sondern ist gerüstet für den Weltmarkt, offeriert und konzentriert sich darauf.
Die Urbane Landwirtschaft kehrt zurück
Es sind schon einige Jahre vergangen, in denen ganz besonders die jungen Menschen angefangen haben, dieses differenzierte Verhältnis von Landwirtschaft und Stadt durcheinanderzubringen. Nun haben sie sich weiterentwickelt und ein ganz neues Verständnis vom Anbau in der Stadt entwickelt. Eine neue Gartenkultur hat sich nun in weiten Teilen Deutschlands etabliert. Allerorts sind Beete, Blumen und Pflanzkisten zu finden. Die Gärtner von heute sind offen und suchen keinen Rückzug in Hinterhöfe oder dem Stadtrand.
Alle Nischen und brauchbaren Flächen der Stadt werden genutzt. Die Präsenz der Gärtner ist allgegenwärtig und sie suchen das öffentliche Leben. Nachbarn verbünden sich, Kinderbauernhöfe sind beliebter denn je. Überall finden sich die Menschen in Stadtteilgärten, Gemeinschaftsgärten auf Dächern zusammen und eine solidarische Landwirtschaft ist entstanden. Das Gefühl der Menschen zum Ursprung ist gewachsen und das Gefühl zur Natürlichkeit auf einem Höhepunkt.
Was erzielt die Urbane Landwirtschaft?
Den Nutzen der Urbanen Landwirtschaft für den städtischen Raum in der gesamtstädtischen Perspektive ist nur zu erkennen, wenn man dafür alle anderen Produkte neben den Lebensmitteln mit einbezieht. Das sind beispielsweise Bildung, Raumgestaltung und Mobilisation sowie sozialer Zusammenhalt. Die Urbane Landwirtschaft steht nicht nur für das Produzieren von Lebensmitteln – sie kann weitaus mehr als nur das. Das Verlorengegangene wird wiederentdeckt, die Beziehung zur Erde und den Früchten wird neu geschätzt, Nah- und Sozialräume werden eigens gestaltet. Sie gehören zur Zivilgesellschaft und stützen eine positive Zukunft für die Stadtentwicklung.